IDW PS 880 definiert, wie Wirtschaftsprüfende Softwareprodukte prüfen, die in der Rechnungslegung eingesetzt werden. Ziel ist Klarheit: Unterstützt die Software bei sachgerechter Anwendung eine ordnungsgemäße Buchführung nach GoB/GoBD? Übrigens: Laut Bitkom setzen inzwischen 84 % der Unternehmen mindestens eine ECM-Lösung zur digitalen Dokumentenverwaltung ein – der Bedarf nach belastbaren Nachweisen steigt entsprechend.
Begriff und Zielsetzung
IDW PS 880 („Prüfung von Softwareprodukten“) ist ein Standard des Instituts der Wirtschaftsprüfer. Er schafft einen einheitlichen Rahmen, um zu beurteilen, ob ein Softwareprodukt, etwa ein ERP-Modul, eine Buchhaltungsanwendung oder ein Dokumentenmanagementsystem, die Anforderungen an Ordnungsmäßigkeit, Nachvollziehbarkeit und Unveränderbarkeit erfüllt.
Das Ergebnis ist kein „Gütesiegel für jede Nutzung“, sondern die Aussage: Bei sachgerechter Anwendung ist eine ordnungsgemäße Buchführung möglich. Klingt theoretisch?
Stellen Sie sich das Testat als TÜV-Bericht für Software vor: Es prüft Konstruktion und Funktionen, nicht Ihr späteres Fahrverhalten.
Prüfungsumfang: Was wird konkret angeschaut?
- Verfahrensdokumentation: Vollständige, aktuelle und schlüssige Beschreibung des Systems, seiner Datenflüsse, Verantwortlichkeiten und Kontrollen.
- Entwicklungsprozess: Release- und Change-Management, Testverfahren, Vier-Augen-Prinzip, Freigaben. Gibt es stabile Prozesse – oder verlässt man sich auf ad-hoc-Tests?
- Funktionalität & Kontrollen: Eingabe-, Verarbeitungs- und Ausgabekontrollen, Protokollierung, Berechtigungen, Manipulationsschutz.
- Technische Umsetzung: Stichprobenbasierte Funktionsprüfungen gegen definierte Kriterien.
- Bericht & Testat: Dokumentation der Feststellungen; bei hinreichender Sicherheit die Bescheinigung nach IDW PS 880.
Abgrenzung: Was das Testat nicht leistet
Das Testat garantiert keine fehlerfreie Nutzung im Alltag. Falsche Parametrisierung, unklare Prozesse oder fehlende Schulungen können weiterhin zu Verstößen führen. Auch Themen außerhalb des Produkts – etwa Server-Härtung oder organisatorische Richtlinien – sind nicht Teil der Produktprüfung. Kurz: Das Testat ist die solide Basis, den sicheren Betrieb gestaltest du.
Relevanz für Praxis und Einkauf
Warum lohnt sich der Blick auf IDW PS 880 im Auswahlprozess? Erstens reduziert ein vorliegendes Testat Ihren Aufwand bei Abschluss- und Betriebsprüfungen. Zweitens zeigt es, dass der Hersteller strukturierte Entwicklungs- und Testprozesse etabliert hat. Drittens erleichtert es die interne Argumentation gegenüber Management und Revision.
Und noch ein Plus: Die aktualisierten GoBD gelten seit dem 1. April 2024 – ein weiterer Grund, auf nachweislich konforme Software zu setzen.
Typische Einsatzfelder
- Buchführung und Nebenbücher: Finanzbuchhaltung, Anlagenbuchhaltung, Kassen- und Fakturamodule.
- Dokumentenmanagement/Archivierung: Revisionssichere Ablage, Protokollierung, unveränderbare Aufbewahrung.
- Schnittstellen & Integrationen: Datenimporte, OCR-basierte Rechnungsverarbeitung, Übergaben an ERP/FiBu.
Praktische Tipps für Hersteller und Anwenderunternehmen
- Verfahrensdokumentation pflegen: Lebendes Dokument, klar strukturiert, versioniert und aktuell.
- Kontrollpunkte sichtbar machen: Von Berechtigungen bis Protokollauswertung – dokumentiere, wer was prüft.
- Testfälle nachziehen: Änderst du Prozesse oder Versionen, zieh die Testfälle zeitnah nach.
- GoBD-Bezug herstellen: Zeige explizit, wie Unveränderbarkeit, Nachvollziehbarkeit und Vollständigkeit sichergestellt werden.
- On-Premise- oder Cloud-Betrieb klar beschreiben: Verantwortlichkeiten und technische Schutzmaßnahmen transparent machen.
Häufige Fragen
Ist IDW PS 880 Pflicht?
Nein. In regulierten Umgebungen kann es indirekt erwartet werden, rechtlich vorgeschrieben ist es jedoch nicht.
Ersetzt das Testat interne Kontrollen?
Nein. Operative Kontrollen und Schulungen bleiben entscheidend.
Wie oft aktualisieren?
Nach wesentlichen Funktions- oder Architekturänderungen ist eine erneute Prüfung sinnvoll.